Josef Schulz "fotografiert"
Thomas Ruff
Josef Schulz "fotografiert" moderne Lager- und Fertigungshallen. Es sind banale Industriebauten, denen man nur wenig architektonisches Interesse entgegenbringen möchte. Sie werden überall auf der Welt rationell und nach immer dem gleichen Muster für verschiedenste industrielle Produktionsabläufe gebaut. Ihre spezifische Nutzung ist von Außen nicht zu erkennen, die Variationen der Fassadengestaltung beschränken sich auf eine Auswahl industriell vorgefertigter Materialien, wie Betonplatten, Wellblech und anderen billigen Baustoffen.
Josef Schulz will diese Architektur nicht bloßstellen oder eine kritische Studie ihres Erscheinungsbildes vornehmen. Die Aufnahmen der Gebäude dienen ihm lediglich als Ausgangsmaterial für eine Untersuchung der Grammatik seines Metiers. Die Hallen, Lagerplätze und industriellen Strukturen fotografiert er zunächst traditionell mit einer großformatigen Plattenkamera. Das entstandene analoge Foto wird dann von ihm mit Hilfe digitaler Bildbearbeitungtechniken von den wenigen Hinweisen auf Umgebung, Alter und Ort der Gebäude "gereinigt". Alle Details, die Aufschluss über die Größenverhältnisse, die Nutzer oder das räumliche oder zeitliche Umfeld der Gebäude geben könnten, werden entfernt. Er verändert die real vorhandenen Gebäude in einer Weise, daß sie zu scheinbar konstruierten, virtuellen Entwürfen werden. Dabei werden ihre Farbigkeit und ihre mehr oder weniger auf einfache Quader reduzierten Formen verstärkt in den Vordergrund gerückt. Symmetrien, Farbkontraste und Bildaufbau werden hervorgehoben und als wichtige Bildkomponenten ausgezeichnet. Die Gebäude selbst erinnern nun mehr an Spielzeugarchitektur und wirken wie der freundliche Widerpart ihrer selbst.
Mit dieser Art der Bearbeitung hebt er bewußt die Schwelle zwischen "fotografischer" und "malerischer Realität" zugunsten der Bildoptimierung auf. Gleichzeitig kehrt er den fotografischen Prozess um, indem er die in der Wirklichkeit gebauten Gebäude auf ihre Konstruktionsidee und das fotografisch-reale Bild auf sein "ursprüngliches" virtuelles Bild zurückführt. Josef Schulz geht damit einen, den digitalen Bildproduzenten entgegengesetzten Weg, nämlich artifizielle Bilder möglichst wirklichkeitsgetreu zu rendern. Der Betrachter wird irritiert, da er letzte Reste des Authentischen im Bild zwar noch vermeintlich erkennt, aber nicht mehr unterscheiden kann, ob diese vor der Kamera waren oder mit den Werkzeugen des digitalen Bildprogrammes erstellt wurden. Josef Schulz rückt damit von der "Objektivität" des fotografischen Bildes ab und zeigt, daß im Grunde jedes Bild ein Konstrukt der visuellen Vorstellungskraft des Künstlers ist.